Nach der Kapitalmarktanomalie Negativzinsen steht mit der sogenannten Euriborreform die nächste Unsicherheit für die Kapitalmärkte vor der Tür. An anderer Stelle wird dabei auch von Benchmarkreform bzw. – treffender, weil es die wahrscheinlichen Auswirkungen beschreibt – von Referenzzinstausch gesprochen.
Seit der Einführung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion 1999 gibt der EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) den durchschnittlichen Zinssatz für unbesicherte Finanzierungen auf dem Euro-Interbankenmarkt an. Täglich übermitteln dazu einige Dutzend Banken Angebotszinssätze für Einlagen an eine Berechnungsstelle, die hieraus den EURIBOR ermittelt. Er ist dann maßgeblich für eine Vielzahl von Zinsprodukten wie etwa Futures, Swaps und andere außerbörsliche Zinstermingeschäfte. Auch Darlehen und Hypotheken an kleine und mittelständische Unternehmen sowie Privathaushalte orientieren sich teilweise am EURIBOR.
Eine ähnliche Bedeutung wird dem EONIA (Euro OverNight Index Average) und dem LIBOR (London Interbank Offered Rate) zuteil. Umso wichtiger ist es, dass die verwendeten Referenzzinssätze zuverlässig und nicht manipulierbar sind.
Die EU hat hierzu im Jahr 2016 die eine EU-Benchmarkverordnung (Benchmark-VO EU 2016/2011) veröffentlicht, um weiterhin sicherzustellen, dass die verwendeten Benchmarks (u.a. Referenzzinssätze) robust, zuverlässig, repräsentativ und nicht manipulierbar sind.
Da die wesentlichen Referenzzinssätze EURIBOR und EONIA derzeit nicht den Vorgaben der EU-Benchmarkverordnung entsprechen, wurde von EZB, FSMA, ESMA und der EU-Kommission eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Vorschläge zur Anpassung bzw. auch Alternativen zu den aktuellen Referenzzinssätzen ausarbeiten soll.
Die Ergebnisse und Veröffentlichungen der „Working Group on Euro Risk Free Rates“ können auf der Webseite der Europäischen Zentralbank abgerufen werden: Working group on euro risk-free rates
Unter anderem hat die Arbeitsgruppe sich dafür ausgesprochen, die Übergangszeit zur Anwendung der Benchmarkverordnung zu verlängern. Zudem empfiehlt die Arbeitsgruppe den von der Europäischen Zentralbank – European Central Bank – berechneten Zinssatz ESTER (Euro Short Term Rate – schreibweise €STR) als Ersatz für den EONIA zu verwenden. Da dieser allerdings erst ab Oktober 2019 regelmäßig zu Verfügung gestellt werden wird, steht bis dahin der sogenannte pre-ESTER / €STR als Orientierung zur Verfügung. Auch für den EURIBOR werden verschiedene Reformalternativen diskutiert.
Welche Varianten sich am Ende durchsetzen werden, ist derzeit noch unsicher. Umso wichtiger ist es, dass bei allen zukünftigen Geschäftsabschlüssen diese Unsicherheit in die Entscheidungsfindung einbezogen wird. Möglichst sollten neue Verträge bereits unter Berücksichtigung von Alternativen für den dauerhaften Wegfall von Referenzzinssätzen abgeschlossen werden oder zumindest Regelungen enthalten, die bei Bedarf auch dem Kunden ausreichend Mitsprache- und Transparenzrechte einräumen.
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